Unverhältnismäßigkeit der Beschlagnahme von Datenträgern
Details zum Urteil
- Amtsgericht Reutlingen
- Beschluss
- vom 05.12.2011
- Aktenzeichen 5 Gs 363/11
- Sonstiges: rechtskräftig
- Abgelegt unter IT-Recht, Strafrecht
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Leitsatz der Kanzlei
Sofern eine forensische Datensicherung vor Ort nicht möglich ist, ist eine Mitnahme beschlagnahmter Datenträger (Festplatten) nur in engen Grenzen verhältnismäßig.
Die beweissichere Anfertigung von 1:1 Kopien beschlagnahmter Datenträger ist unverzüglich nachzuholen.
Die Fortdauer einer solchen Beschlagnahme kann bereits nach drei Tagen unverhältnismäßig sein.
Kommentar von
Das Amtsgericht Reutlingen hatte einen eigenen Beschluss, durch den die Beschlagnahme von vier Festplatten des Beschuldigten angeordnet wurde, nach wenigen Tagen wieder aufgehoben und die Herausgabe der Festplatten an den Beschuldigten verfügt.
Das Amtsgericht ist der Ansicht, dass aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine beweissichere Anfertigung von Kopien der beschlagnahmten Datenträger kurzfristig - im konkreten Fall innerhalb von drei Tagen - erfolgen muss. Andernfalls ist die Fortdauer der Beschlagnahme nicht mehr zu rechtfertigen.
Ein innovativer und mutiger Beschluss, der im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgebots zu begrüßen ist.
Denn mittlerweile hat sich bei vielen Staatsanwaltschaften die Praxis etabliert, beschlagnahmte Datenträger und Rechner oft monatelang liegen zu lassen, bevor überhaupt eine forensische Untersuchung der Festplatten erfolgt. Diese Praxis ist als unverhältnismäßig anzusehen, wurde aber von den Gerichten, soweit ersichtlich, bislang noch nie beanstandet. Man kann deshalb nur hoffen, dass dieser ermittlungsrichterliche Beschluss Schule macht.