Kritische Anmerkungen zum Gesetzesentwurf der FDP zur Änderung des Telemediengesetzes
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- vom 05.12.2008
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Die FDP-Fraktion hat am 04.12.08 einen Gesetzesentwurf vom 02.12.08 zur Änderung des Telemediengesetzes in den Bundestag eingebracht. Auch wenn der Entwurf nur geringe Chancen haben dürfte, in dieser Form Gesetz zu werden, greift er eine ganze Reihe von in der Tat regelungsbedürftigen Aspekten auf, wenngleich vieles nicht wirklich durchdacht erscheint.
1. Zuständigkeitskonzentration (Telemedienstreitsachen)
Der Entwurf sieht die Einführung eines neuen § 3 a TMG vor, der die Landesregierungen ermächtigt, für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte eines von ihnen als Gericht für Telemedienstreitsachen zu bestimmen.
Begründet wird dieser Regelungsvorschlag interessanter Weise mit der Erwägung, damit das sog. Forumshopping, also die Auswahl eines dem Kläger/Antragsteller angenehmen Gerichts, einzuschränken.
Bei diesem Vorschlag wurde zunächst nicht hinreichend bedacht, dass die Haftungsprivilegierungen der §§ 7 ff. TMG querschnittsartige Regelungen darstellen, die den gesamten Bereich des Zivil- und Strafrechts umfassen. Das bedeutet, dass anders als bei Konzentrationen auf spezielle Rechtsgebiete wie dem Kennzeichen- oder Urheberrecht, hierdurch beliebige Fragen des gesamten Zivil- oder Strafrechts einem besonderen Gericht zugewiesen werden, solange eine Einschränkung der Verantwortlichkeit nach dem TMG im Raum steht. Dies erscheint wenig sinnvoll.
Die Regelung ist im übrigen auch nicht geeignet, das sog. Forumshopping einzudämmen. Gerade in Bereichen, in denen die Zuständigkeiten bereits bei speziellen Gerichten konzentriert sind, wie dem Kennzeichen- oder Urheberrecht, erfreut sich das „Forumshopping“ großer Beliebtheit.
Das „Forumshopping“ ließe sich allein durch Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands und durch Schaffung eines ausschließlichen Gerichtsstands, z.B. am Sitz des Verletzers, eindämmen. Das würde allerdings geradezu eine Einladung an die Anbieter darstellen, ihren Sitz ins Ausland außerhalb der EU zu verlagern, während sich ihre Inhaltsangeboten weiterhin an das inländische Publikum richten.
Wer die Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands fordert, sollte sich darüber im Klaren sein, dass dies faktisch erhebliche rechtsfreie Räume schaffen und die Verfolgung von Rechtsverletzungen erschweren wird.
2. Subsidiarität der Providerhaftung
Der Entwurf enthält ferner den Vorschlag, § 7 Abs. 2 TMG dahingehend zu ergänzen, dass eine Verpflichtung zur Entfernung und Sperrung von Informationen von privilegierten Diensteanbietern nur dann bestehen soll, wenn eine Inanspruchnahme des eigentlich Verantwortlichen nicht durchführbar und nicht Erfolg versprechend ist und die Entfernung auch technisch möglich und zumutbar erscheint.
Zudem wird die Einführung eines neuen § 7 Abs. 3 TMG vorgeschlagen, der regelt, dass Diensteanbieter i.S.v. §§ 8 – 10a TMG nur dann zur Entfernung oder Sperrung vorhandener Informationen verpflichtet sein sollen, wenn ihnen ein gegen den Anbieter der Information gerichteter vollstreckbarer Titel vorgelegt wird.
Der erste Teil dieses Änderungsvorschlags ist durchaus sinnvoll, weil die vorrangige Inanspruchnahme des eigentlich Verantwortlichen sachgerecht erscheint.
Allerdings stehen die Absätze 2 und 3 in einem gewissen Widerspruch zueinander, vor allem in den Fällen, in denen die Identität des Verletzers nicht zu ermitteln ist oder der Verletzer nicht oder nur schwer greifbar erscheint, weil er beispielsweise im Ausland sitzt. Gerade in solchen Fällen wird es dem Betroffenen überhaupt nicht möglich sein, gegen den Verletzer einen Titel zu erwirken und somit die Voraussetzung des Abs. 3 zu schaffen. Dadurch können erhebliche Rechtsschutzlücken entstehen.
Zielführender wäre es in diesem Kontext daher, wie in der Literatur schon mehrfach dargestellt (vgl. Stadler, Haftung für Informationen im Internet, 2. Aufl., Rn. 67a ff.; Volkmann, Der Störer im Internet, § 11 IV 4), den Unterlassungsanspruch gegen Host-Provider von vornherein auf die Entfernung bzw. Sperrung vorhandener Inhalte zu beschränken und gerade keine vollumfängliche Pflicht zur Unterlassung auch künftiger Verstöße vorzusehen. Nur dadurch kann die Schaffung proaktiver Überwachungspflichten effektiv unterbunden werden, während der Betroffene nicht rechtlos gestellt wird.
Der in seinen Rechten Verletzte kann nämlich vom Diensteanbieter weiterhin verlangen, dass bestehende rechtswidrige Inhalte, nachdem der Provider in Kenntnis gesetzt worden ist, kurzfristig beseitigt werden. Die Verpflichtung, auch künftige Verstöße zu unterlassen, kann demgegenüber nur den eigentlichen Verletzer treffen. Dies entspricht im Übrigen auch der Vorgabe der E-Commerce-Richtlinie, die die Auferlegung proaktiver Überwachungspflichten verbietet.
3. Regelung zu Suchmaschinen und Hyperlinks
Begrüßenswert ist es, dass der Gesetzesentwurf versucht, die regelungsbedürftigen Bereiche der Suchmaschinen- und Linkhaftung zu normieren.
Der Regelungsvorschlag zu den Suchmaschinen (§ 8a TMG) geht allerdings nicht über das hinaus, was in der Rechtsprechung mittlerweile ohnehin fast einhellig vertreten wird. Andererseits werden regelungsbedürftige Fragestellungen wie die der Google-Bildersuche, die das Landgericht Hamburg unlängst untersagt hat, nicht erfasst. Wichtig wäres es deshalb zu regeln ob und in welchem Umfang Suchmaschinen eine Vorschau auf die aufgefundenen Inhalte anbieten dürfen, ohne dadurch das Urheberrecht zu verletzen. Ob dies im TMG richtig verortet ist, ist eine andere Frage.
Die Regelung zu den Hyperlinks lehnt sich eng an § 10 TMG an und macht damit nichts anderes, als die Haftungsprivilegierung für Hoster 1:1 auf Linksetzende zu übertragen.
Das ist angesichts der vielschichtigen Umstände und Konstellationen unter denen Hyperlinks gesetzt werden, allerdings nicht sachgerecht und würde in vielen Bereichen zu einer empfindlichen Beschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit führen. Bestes Beispiel hierfür ist die Fallkonstellation die der Entscheidung des OLG München zu Hyperlinks im Rahmen einer redaktionellen Berichterstattung zu Grunde liegt oder auch die Entscheidung des OLG Stuttgart zur Strafbarkeit von Hyperlinks. Der Gesetzesentwurf würde in Fällen ein nicht sachgerechtes und auch grundrechtlich bedenkliches Linkverbot begünstigen und fragwürdige Entscheidungen wie des OLG München bestätigen.
Eine sinnvolle Regelung der Linkhaftung kann nur dann gelingen, wenn man zwischen verschiedene Arten von Links unterscheidet. Der Hyperlink kann nicht isoliert von seinem Kontext betrachtet werden, weil die Tatsache der Setzung eines Links für sich alleine genommen nichts besagt und lediglich die Funktion einer elektronischen Quellenangabe erfüllen kann. Die lediglich referenzierenden Links müssen deshalb grundsätzlich auch dann zulässig sein, wenn sich am Linkziel rechtswidriger Content befindet, weil ansonsten auch eine kritische Befassung mit rechtswidrigen Inhalten unzulässig wäre.
Die Haftungserleichterungen für Host-Provider passen auch deshalb nicht für Hyperlinks, weil der Hoster die fremden Inhalte bei sich speichert und zum Abruf bereit hält, während der Link für sich genommen zunächst nichts weiter ist als ein elektronischer Hinweis auf eine externe Fundstelle.
Gerade von der FDP sollte man erwarten, dass die Fahne der Freiheitsrechte hoch gehalten wird.
Im übrigen steht die Regelung zu den Suchmaschinen (§ 8 a) in einem gewissen Widerspruch zur Regelung für Links (§ 10a TMG). Nachdem die Trefferergebnisse von Suchmaschinen auch nichts anderes als Hyperlinks darstellen, stellt sich die Frage, ob § 10a wiederum § 8a einschränken soll? Damit wäre aber auch die Privilegierung von Suchmaschinen dahin.
4. Fazit
Zu begrüßen ist, dass der Entwurf der FDP-Fraktion einige heiße Eisen anpackt, um deren Regelung der Gesetzegeber sich bisher gedrückt hat. Die Umsetzungsvorschläge sind inhaltlich leider weitgehend mangelhaft.