Die Verantwortlichkeit der Inhaltsanbieter nach der E-Commerce-Richtlinie und dem EGG
Details zum Urteil
- Vortrag
- vom 19.05.2001
- Sonstiges: Vortrag auf dem Juramail-Symposium in Berlin am 19.05.2001
- Abgelegt unter IT-Recht
- Kommentiert von
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- Einleitung
- Die bisherige gesetzliche Regelung
- Neuregelung der Haftungsprivilegierung für Inhaltsanbieter durch das EGG
Allgemeine Grundsätze
Durchleitung von Informationen
Caching
Speicherung von Informationen
Ungeregelte Aspekte
Kommentar von
1. Einleitung
Ziel dieses Beitrags ist es, Ihnen einen kurzen Überblick über die Regelungen zur Verantwortlichkeit der sog. Diensteanbieter nach der E-Commerce Richtlinie bzw. nach dem geplanten deutschen Umsetzungsgesetz, dem Elektronischen Geschäftsverkehrsgesetz (EGG) zu bieten.
Die E-Commerce-Richtlinie (2000/31/EG), Richtlinie über bestimmte Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt, vom 08.06.2000, ist am 17.07.2000 in Kraft getreten.
Sie regelt im wesentlichen folgende Aspekte:
- Herkunftslandprinzip:
Gegenseitige Anerkennung der für Netzdienste geltenden einzelstaatlichen Bestimmungen (Art. 3). Nach dem Herkunftslandprinzip sollen die Anbieter von Telediensten ausschließlich den Bestimmungen ihres Niederlassungsstaates unterworfen sein. Wer also die Gesetze seines eigenen Staates befolgt, soll von der Notwendigkeit befreit werden die möglicherweise strengeren Rechtsvorschriften anderer EU-Staaten beachten zu müssen.
- Grundsatz der Zulassungsfreiheit:
Art. 4 der E-Commerce Richtlinie bestimmt, dass die Anbieter von Telediensten keiner besonderen Zulassung bedürfen. Diese Regelung entspricht der in Deutschland bereits geltenden Vorschrift des § 4 TDG.
- Informationspflichten der Diensteanbieter
Art. 5 bis 7 der E-Commerce Richtlinie erweitert im Vergleich zu der Regelung des TDG die Pflichten zur Anbieterkennzeichnung erheblich. Während es bislang lediglich für geschäftsmäßige Angebote erforderlich war den Namen und die Anschrift anzugeben, muss jetzt unter anderem eine E-Mail-Adresse angegeben werden, die Umsatzsteueridentifikationsnummer, sowie speziell bei Freiberuflern Informationen über die Berufsbezeichnung, die Kammer und die einschlägigen berufsrechtlichen Regelungen. Speziell die Rechtsanwälte sollten sich mit den neuen Vorschriften vertraut machen, zumal Verstöße nunmehr durch Verhängung von Bußgeldern geahndet werden können.
-Abschluss von Verträgen auf elektronischem Weg (Art. 9-11).
Hierbei gilt es vor allem um die Anpassung von Formvorschriften durch das Textformgesetz.
- Verantwortlichkeit der Diensteanbieter (Art. 12-15)
Was den Zeitplan angeht, so ist die Richtlinie bis zum 17.01.2002 in deutsches Recht umzusetzen. Während man in anderen Bereichen, die Umsetzungsfristen öfter großzügig verstreichen lässt, beabsichtigt die Bundesregierung im Falle des EGG ein Inkrafttreten bereits nach der Sommerpause, also deutlich vor Ablauf der Umsetzungsfrist. Der Entwurf des EGG ist bereits vom Bundeskabinett verabschiedet worden und befindet sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren.
Die Richtlinie enthält in ihren Art. 12-15 spezifische Regelungen zur Verantwortlichkeit/Haftung von Anbietern sog. Teledienste. Die bislang vorliegende Entwurfsfassung des EGG hält sich eng an den Wortlaut der Richtlinie und macht von den Umsetzungsspielräumen die die Richtlinie bietet ersichtlich keinen Gebrauch.
2. Bisherige gesetzliche Regelung
Zum besseren Verständnis der geplanten Neuregelung muss zunächst die bisherige gesetzliche Regelung kurz skizziert werden.
Man hat in Deutschland schon relativ früh erkannt, dass die allgemeinen Gesetze zu einer sehr weitreichenden Haftung führen können und dass hierdurch die Entwicklung des Internet und des E-Commerce behindert werden könnten.
Diese Überlegungen führten 1997 zum Erlass des Informations- und Kommunikationsdienstegesetzes (IuKDG), im Volksmund auch Multimediagesetz genannt.
Zentraler Regelungsbestandteil war das Teledienstegesetz (TDG) . § 5 TDG enthielt Vorschriften zur Beschränkung der Haftung zu Gunsten der Anbieter von Telediensten.
§ 5 TDG ist keine haftungsbegründende sondern lediglich eine haftungsbeschränkende Norm. Sofern eine Haftung nach allgemeinen Regeln zu bejahen ist, muss zudem geprüft werden, ob diese Haftung durch § 5 TDG beschränkt oder ausgeschlossen wird.
Anwendungsbereich des TDG
Das TDG gilt für Teledienste. Nach der Legaldefinition des § 2 I TDG sind das alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste die für eine individuelle Nutzung von kombinierbaren Daten wie Zeichen, Bilder oder Töne bestimmt sind und denen eine Übermittlung mittels Telekommunikation zugrunde liegt. § 2 II TDG enthält eine nicht abschließende Aufzählung einzelner Teledienste.
Da das Gesetz (nach seinem § 2 IV) nicht für TK-Dienstleistungen, Rundfunk und für Mediendienste i.S.d. Mediendienstestaatsvertrags (MDStV) gilt, muss bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs eine entsprechende Abgrenzung vorgenommen werden.
aa) Abgrenzung zur Telekommunikation
Im Prinzip noch relativ einfach ist die Abgrenzung zur Telekommunikation. Das Telekommunikationsgesetz (TKG) regelt den technischen Aspekt der Datenübertragung und Datenübermittlung, während das TDG die inhaltlichen Fragen behandelt.
Dieser an sich recht klare Abgrenzung hat der Gesetzgeber selbst dadurch aufgeweicht, dass er den so genannten Access-Provider, der an sich ein Anbieter von TK-Dienstleistungen ist, als Anbieter von Telediensten behandelt.
bb) Abgrenzung zum MDStV
Schwierig, wenn nicht sogar manchmal unmöglich ist die Abgrenzung zwischen Telediensten und Mediendiensten. Die Unterteilung der Informations- und Kommunikationsdienste in Teledienste und Mediendienste ist das Ergebnis eines kompetenzrechtlichen "Kuhhandels" zwischen Bund und Ländern.
Die Länder haben ausgehend von einem recht dynamischen Rundfunkbegriff eine Regelungskompetenz auch für den Bereich der Multimediadienste für sich reklamiert.
Man hat sich darauf geeinigt, die Dienste in solche zu unterteilen, die auf eine erweiterte Individualkommunikation (Teledienste) und solche, die an die Allgemeinheit (Mediendienste) gerichtet sind.
Dieser Dualismus von Tele- und Mediendiensten wirft neben verfassungs- und völkerrechtlichen Problemen auch erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten auf.
Letztere sollten durch wechselseitige Ausschlussklauseln in TDG und MDStV gelöst werden.
§ 2 IV Nr. 3 TDG bestimmt, dass das Gesetz nicht für inhaltliche Angebote gilt bei denen die redaktionelle Gestaltung zur Meinungsbildung für die Allgemeinheit im Vordergrund steht. Demgegenüber besagt § 2 I MDStV, dass die Bestimmungen des TDG unberührt bleiben.
Nähert man sich der Abgrenzungsfrage vom MDStV aus an, so wird man feststellen, dass eine scharfe Trennung nicht möglich ist, weil sich fast alle Multimediadienste an die Allgemeinheit richten und somit grundsätzlich als Mediendienst qualifizierbar wären.
Nehmen wir zum Beispiel den Fall einer Firmen-Website. Eine solche stellt nach allgemeiner Auffassung einen Teledienste dar. Inwieweit es sich bei einer solchen Firmen-Website allerdings um Individualkommunikation und nicht um ein Angebot für die Allgemeinheit handeln soll, ist nicht so recht klar. Jede frei aufrufbare Website richtet sich an die Allgemeinheit.
Die Kriterien Individualkommunikation einerseits und Massenkommunikation andererseits sind somit an sich nicht geeignet um Teledienste und Mediendienste voneinander abzugrenzen.
Es bleibt somit nur eine wertende Betrachtung des Einzelfalls.
Als Faustregel kann man sich damit behelfen, dass journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote, die in inhaltlicher Ähnlichkeit zu Presse und Rundfunk auf die Meinungsbildung abzielen, Mediendienste sind und der Rest als Teledienste zu qualifizieren ist.
Regelungsinhalt von § 5 TDG
§ 5 TDG verfolgt einen dreistufigen Aufbau.
aa) Eigene Inhalte
§ 5 I TDG stellt klar, dass der Diensteanbieter für eigene Inhalte, die er zur Nutzung bereithält, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich ist. Die Haftung richtet sich also nach den einschlägigen Vorschriften des Zivil- oder Strafrechts, ohne dass es zu einer Haftungsprivilegierung des Anbieters kommt.
§ 5 I TDG ist somit lediglich deklaratorischer Natur und eigentlich überflüssig.
Die Vorschrift hat aber auch dazu geführt, das einige Gerichte über das Konstrukt des Zueigenmachens fremde Inhalte mit eigenen gleichgesetzt haben, ohne dies näher zu begründen. So findet sich zum Beispiel in Urteilen des Landgerichts München I häufiger der apodiktische Satz " wer einen Link auf fremde Inhalte setzt, macht sich diese zu eigenen ". Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 TDG wird hierdurch praktisch zur Haftungsbegründung herangezogen, ohne dass man sich weitere Gedanken über die Haftungsgrundlagen nach den allgemeinen Gesetzen macht.
bb) Fremde Inhalte, die zur Nutzung bereitgehalten werden
Die eigentlichen haftungsbeschränkende Normen findet sich in den Absätzen 2 und 3 des § 5 TDG. Der Gesetzgeber ist hierbei von der grundsätzlichen Überlegungen ausgegangen, dass eine Haftungsbeschränkung nur im Hinblick auf fremde Inhalte statthaft sein kann.
§ 5 II TDG beschränkt die Haftung desjenigen, der fremde Inhalte zur Nutzung bereit hält. Diese Vorschrift ist primär auf den sog. Host-Provider zugeschnitten, der seinen Kunden für deren Inhalte Speicherplatz zur Verfügung stellt.
Nach dieser Vorschrift ist eine Haftung nur dann gegeben, wenn der Anbieter von den fremden Inhalten (positive) Kenntnis hat und es ihm technisch möglich und zumutbar ist, diese Inhalte zu sperren. Nach überwiegender Auffassung soll sich diese Kenntnis lediglich auf die Inhalte selbst nicht aber auf die Rechtswidrigkeit beziehen müssen. Dies könnte man freilich in Anlehnung an die im Zivilrecht vorherrschende Vorsatztheorie auch anders sehen.
Für eine Haftung des Host-Providers reicht es somit nach herrschende Meinung aus, dass der Provider die Inhalte kennt. Dies führt gerade bei rechtlich noch ungeklärten Fallkonstellationen zu einem erheblichen Risiko auf Seiten des Host-Providers. Selbst in den Fällen, die in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten sind, kann sich der Provider auf einen Rechtsirrtum nicht berufen.
cc) Zugangsvermittlung
Gänzlich ausgeschlossen ist Haftung schließlich dann, wenn lediglich der Zugang zur Nutzung fremder Inhalte vermittelt wird. Bei der Schaffung dieser Vorschrift hatte der Gesetzgeber vordergründig den sog. Access-Provider vor Augen, der wie andere Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen auch von einer Haftung freigestellt werden sollte.
Die Vorschrift ist keineswegs so generös wie sie erscheint. Der Access Provider ist nämlich wie eingangs bereits erwähnt an sich reiner Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen. Als solcher hätte er auch nach der bis zum Erlass des TDG geltenden Rechtslage nicht gehaftet. Im Hinblick auf den Access Provider wird somit von einer Haftung freigestellt die bereits nach allgemeinen Gesetzen nicht existiert.
Die Einbeziehung des Access Provider in den Kreis der Haftungsprivilegierten ist deshalb überflüssig. Sie ist auch dogmatisch fragwürdig, da die Qualifizierung des Zugangs-Providers als Telediensteanbieter die gesetzlich vorgesehene Trennung von Inhaltsanbieter und technischem Dienstleister durchbricht.
Als Zugangsvermittlung betrachtet der Gesetzgeber gem. § 5 III 2 TDG auch die automatische und kurzzeitige Vorhaltung fremder Inhalte aufgrund Nutzerabfrage.
Hiermit ist vor allem das Caching und die Bereitstellung von Proxy-Servern gemeint. Da man diese Fallkonstellationen ohne weiteres unter § 5 Abs. 2 TDG subsumieren kann, der Gesetzgeber aber diese technisch sinnvolle Maßnahme nicht blockieren wollte, hat man sich einfach entschlossen das Caching der Zugangsvermittlung gleichzustellen.
3. Neuregelung der Haftungsprivilegierung für Inhaltsanbieter durch das EGG
Die E-Commerce Richtlinie und mit ihr der Entwurf des EGG verlassen den relativ schlanken Ansatz des § 5 TDG. Das EGG verteilt die Regelungen in enger Anlehnung an die Richtlinie auf vier Normen. Der neue dritte Abschnitt des TDG zur Verantwortlichkeit stellt in § 8 TDG (neu) zunächst allgemeine Grundsätze auf, trifft anschließend Einzelregelungen zur Durchleitung von Informationen (§ 9 TDG neu), zur Zwischenspeicherung (§ 10 TDG neu) und zur Speicherung von Informationen (§ 11 TDG neu).
Der deutsche Gesetzgeber verlässt damit auch das System der generalklauselartigen Regelung des bisherigen § 5 TDG und übernimmt den eher technisch orientierten Ansatz der Richtlinie.
Bereits bei der ersten Lektüre des EGG-Entwurfs fällt auf, dass der Begriff der Inhalte entsprechend der Formulierung in der Richtlinie durch den der Informationen ersetzt worden ist.
Gleichzeitig geht der deutsche Gesetzgeber aber, wenn man der Begründung des Referentenentwurfs glauben darf, davon aus, dass die Begriffe Informationen und Inhalte völlig gleichwertig sind und auch die Richtlinie von einem weiten Inhaltsbegriff ausgeht.
Man fragt sich deshalb unweigerlich warum es dann überhaupt erforderlich war die Begriffe auszuwechseln.
Diese Änderung wird jedenfalls erstmal für Verwirrung sorgen. Sie bietet außerdem Raum für eine einschränkende Auslegung, zumal sich die Gleichwertigkeit beider Begriffe aus sprachlichen Gründen nicht unbedingt aufdrängt. In diesem Zusammenhang muss man bedenken, dass bereits nach der geltenden Rechtslage umstritten ist, ob der Inhaltsbegriff des TDG weit oder eng auszulegen ist. Die Befürworter der engen Auslegung gehen davon aus, dass das TDG nur kommunikative Inhalte umfasst.
Die jetzt vorgenommene Auswechslung der Begriffe könnte dazu führen, dass die Verfechter der engen Auslegung neue Nahrung erhalten. Der Begriff der Informationen zwingt nicht unbedingt zur Annahme eines weiten Inhaltsbegriffs.
Allgemeine Grundsätze (§ 8 TDG neu)
§ 8 I TDG (neu), stellt klar, dass die Diensteanbieter für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereit halten nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich sind. Diese lediglich deklaratorische Regelung entspricht dem bisherigen § 5 I TDG.
Die Neufassung übernimmt damit die bisherige Unterscheidung zwischen eigenen und fremden Inhalten.
§ 8 II 1 TDG (neu) - der Art. 15 I der Richtlinie umsetzt – stellt außerdem klar, dass die Diensteanbieter i.S.d. §§ 9-11 keine Nachforschungs- und Überwachungspflicht trifft.
Damit ist speziell für die Host-Provider auch klargestellt, dass sie die Webseiten ihrer Kunden nicht aktiv auf rechtswidrige Inhalte hin zu überprüfen haben. Dies entspricht im Prinzip der bisherigen Regelung. Da § 5 Abs. 2 TDG (alt) eine Haftung nur im Falle positiver Kenntnis vorgesehen hat, war auch hiernach einen Nachforschungs- bzw. Überprüfungspflicht nicht begründbar.
Der Bundesrat hat im Rahmen seiner Stellungnahme nach Art. 76 Grundgesetz die Streichung des §§ 8 Abs. 2 Satz 1 TDG neu gefordert. Der Bundesrat war der Auffassung, dass die Bestimmung überflüssig sei, da sich bereits aus dem Regelungszusammenhang ergeben würde, dass eine allgemeine Überwachungspflicht nicht besteht. Diesen Vorschlag hat die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung aber zurückgewiesen. Da das Gesetz nicht zustimmungsbedürftig ist, wird es voraussichtlich bei der vom Bundeskabinett beschlossenen Fassung bleiben.
Die Vorschrift des § 8 II 2 TDG neu entspricht dem bisherigen § 5 IV TDG. Sie geht insoweit über die Richtlinie hinaus, als dort (Art. 12 III, 13 II, 14 III) nur verlangt wird, dass die Mitgliedsstaaten sicherzustellen haben, dass gerichtliche oder behördliche Anordnungen, die eine Unterlassung der Rechtsverletzung verlangen, zu beachten sind.
Die Einschränkung des bisherigen § 5 IV TDG, wonach eine solche Sperrungsverpflichtung nur dann bestand, wenn die Sperrung technisch möglich und zumutbar war, ist weggefallen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass das Recht Unmögliches und Unzumutbares ohnehin nicht verlangen kann, so dass die neue Regelung nicht zu einer Rechtsänderung führt.
Durchleitung von Informationen (§ 9 TDG neu)
§ 9 TDG neu ersetzt den bisherigen § 5 III TDG und setzt Art. 12 I, II der E-Commerce-Richtlinie um.
Während § 5 III TDG nur von Zugangsvermittlung sprach, umfasst die Neuregelung daneben auch die Übermittlung von Informationen in einem Kommunikationsnetz. Die bisherige Regelung zielte primär auf den sog. Access-Provider ab, die Neuregelung bezieht explizit auch noch den bloßen Netzwerk-Provider ein.
Die Erweiterung der Haftungsprivilegierung in § 9 I TDG (neu) auch auf den Netzwerk-Provider steht allerdings in Widerspruch zur Begriffsbestimmung in § 3 Nr. 1 TDG (neu), wonach Diensteanbieter derjenige ist, der eigene oder fremde Teledienste zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt. Nach der Legaldefinition ist zwar der Access-Provider Diensteanbieter, aber nicht der Netzwerkprovider. Dennoch behandelt § 9 I TDG (neu) auch denjenigen der nur Informationen übermittelt als Diensteanbieter.
Es wird sich zeigen, wie diese Vorschrift in Zukunft ausgelegt werden wird. Man könnte die Norm aber durchaus dahingehend auslegen dass nur der Netzwerkprovider umfasste ist, der zugleich auf den Zugang vermittelt.
Wenn man das anders auslegen will und alle die, die nur Informationen übermitteln einbeziehen möchte, so wird das dazu führen dass auch alle diejenigen die lediglich Übertragungswege bereitstellen als Telediensteanbieter einzustufen wären.
Die Unterscheidung zwischen Inhaltsanbietern und TK-Anbietern wäre damit vollends verwischt.
Es stellt sich in diesem Zusammenhang generell die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, den Access-Provider in den Kreis der Diensteanbieter einzubeziehen. Der Access-Provider erbringt an sich eine rein technische Dienstleistung und ist damit Anbieter einer TK-Dienstleistung. Da das TDG auf den inhaltlichen Aspekt abstellt, während das TKG den rein technischen Aspekt behandelt, ist die Qualifizierung des Access-Providers als Anbieter von Telediensten systemwidrig, weil hierdurch die Trennung von Telekommunikationsdienstleistung (TKG) und Inhaltsangebot (TDG) durchbrochen wird.
Fraglich ist daneben aber auch ob eine Haftungsprivilegierung der Access- und Network-Provider überhaupt geboten ist. Bereits vor Erlass des TDG war es allgemeine Meinung, dass der Anbieter bloßer TK-Dienstleistungen nicht für die Inhalte der von ihm über sein Leitungsnetz übermittelten Daten verantwortlich ist. Damit ist an sich klargestellt, dass eine Haftung bereits nach allgemeinen Grundsätzen ausscheidet.
Wenn man nun Haftungsprivilegierungen schafft, obwohl eine Haftung ohnehin nicht begründbar ist, begibt man sich auf dünnes Eis. Solche Regelungen verleiten zu der Schlussfolgerung, dass das Vorhandensein einer Haftungsprivilegierung auch dafür spricht, dass grundsätzliche eine Verantwortlichkeit gegeben ist.
Der Gesetzgeber mutet damit den Access Providern wesentlich mehr zu als sonstigen TK Dienstleistern.
Inhaltlich behält § 9 Abs. 1 TDG neu den bisherigen Grundansatz von § 5 III TDG bei. Die Haftungsfreistellung wird allerdings an zusätzliche Anforderungen geknüpft.
Der Diensteanbieter, der fremde Informationen in einem Kommunikationsnetz übermittelt oder den Zugang zur Nutzung fremder Informationen vermittelt gelangt nur dann in den Genuss einer Haftungsbefreiung, wenn er die Übermittlung nicht veranlasst hat, den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt hat und auch die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert hat.
Da diese Einschränkungen recht weit gehen, stellt § 9 II TDG neu klar, dass eine technisch bedingte automatische Zwischenspeicherung während des Datentransports ebenfalls privilegiert i.S.v. Abs. 1 ist.
Des Sinn und Zweck der Regelung besteht offenbar darin klar zustellen, dass nur der bloße Transporteur von einer Haftung befreit ist.
Caching (§ 10 TDG neu)
Obwohl die bisherige Regelung des § 5 III 2 TDG recht klar war und soweit ersichtlich auch kaum Probleme bereitet hat, wählen die E-Commerce-Richtlinie und § 10 TDG neu einen recht komplizierten Regelungsansatz.
Nach der Neuregelung sind Diensteanbieter für eine automatische, zeitlich begrenzte Zwischenspeicherung, die allein dem Zweck dient, die Übermittlung der fremden Information an andere Nutzer auf deren Anfrage hin effizienter zu gestalten, nicht verantwortlich, sofern sie (und jetzt kommen die Einschränkungen)
- die Information nicht verändern,
- die Bedingungen für den Zugang zu den Informationen beachten,
- die Regeln für die Aktualisierung der Information, die in weithin anerkannten und verwendeten Industriestandards festgelegt sind, beachten,
- die erlaubte Anwendung von Technologien zur Sammlung von Daten über die Nutzung der Information, die in weithin anerkannten und verwendeten Industriestandards festgelegt sind, nicht beeinträchtigen und
- unverzüglich handeln, um gespeicherte Informationen zu entfernen, sobald sie Kenntnis davon haben, dass die Informationen am Ausgangsort aus dem Netz entfernt wurden oder ein Gericht oder eine Behörde die Entfernung oder Sperrung angeordnet hat.
Mit dieser Regelung will man zunächst wohl sicherstellen, dass der speichernde Provider nicht mit der übermittelten Information in Verbindung steht und diese Information auch in keinster Weise inhaltlich verändert hat.
Die Privilegierung greift also nur dann, wenn es sich um eine bloße kurzzeitige Spiegelung anderer Inhalte handelt. Die Kopie muss dem Original entsprechen. Das kann freilich zu Problemen führen, wenn die Informationen aus technischen Gründen verändert werden. Die Begründung zum Referentenentwurf geht zwar davon aus, dass solche technischen Veränderungen nicht unter die von der Norm gezogenen Einschränkungen fallen. Da der Wortlaut das aber nicht so klar hergibt, wird es auch hier genügend Spielraum für abweichende Auslegungen geben.
Die Haftungsprivilegierung setzt ausserdem voraus, dass die Bedingungen für den Zugang zu den Informationen beachtet werden.
Auch diese Einschränkung klingt zunächst reichlich kryptisch. Wenn man näher hin schaut, ist sie aber zumindest noch einigermaßen nachvollziehbar.
Gemeint sind vor allem die Fälle, in denen Websites z.B. aus Gründen des Jugendschutzes über Zugangskontrollen verfügen. Die Zugangsvoraussetzungen müssen die gleichen sein wie beim Original an der Quelle. Besteht also z. B. bei einer bestimmten Website ein Passwortschutz, dann darf die Zwischenspeicherung nicht dazu führen, daß dieser Schutz umgangen oder entfernt wird.
Die Formulierung, dass die Regeln für die Aktualisierung der Informationen zu beachten sind, ist unklar. Der Provider der einen Proxy-Server verwendet, kann allenfalls dafür sorgen, dass die Inhalte die sich dort befinden nur für einen gewissen Zeitraum zwischengespeichert werden. Wie er allerdings dafür sorgen soll, dass eine Aktualisierung der Informationen an der Quelle auch sofort eine Aktualisierung auf dem Proxy-Server nach sich zieht, leuchtet nicht so recht ein, zumal nach dem Gesetz keine Nachforschungspflichten bestehen.
Unklar ist auch, was der Gesetzgeber in § 10 Nr. 3 und 4 unter weithin anerkannten und verwendeten Industriestandards versteht. Weder im Hinblick auf die Frage, wann Informationen zu aktualisieren sind, noch im Hinblick auf die zur Sammlung von Nutzungsdaten verwendeten Technologien, dürften solche Standards existieren.
Auch der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme nach § 76 Abs. 2 Grundgesetz die Regelungen der §§ 10 Nr. 2 bis 4 TDG neu kritisiert und Präzisierungen gefordert. Der Bundesrat hat die Auffassung vertreten, dass insbesondere die Begriffe "Bedingungen für den Zugang zu den Informationen", "Regeln für die Aktualisierung der Information, die in weithin anerkannten und verwendeten Industriestandards festgelegt sind" und "erlaubte Anwendung von Technologien zur Sammlung von Daten über die Nutzung der Information, die in weithin anerkannten verwendeten Industriestandards festgelegt sind" ausfüllungsbedürftig sind und sich dem Rechtsanwender nicht ohne weiteres erschließen. Mit Blick insbesondere auf das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot erschien dem Bundesrat eine Präzisierung geboten.
Dem Vorschlag des Bundesrates hat sich die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung allerdings nicht angeschlossen. Die Bundesregierung hat darauf verwiesen, dass die beteiligten Wirtschaftsverbände eine möglichst wörtliche Umsetzung der Richtlinie gefordert hätten.
Es wird also auch hier voraussichtlich bei der bisherigen Fassung bleiben, da das Gesetz nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf.
Speicherung von Informationen (§ 11 TDG neu)
§ 11 TDG (neu) löst den bisherigen § 5 II TDG ab und setzt Art. 14 I und II der E-Commerce-Richtlinie um.
Diese Regelung betrifft das sog. Hosting.
Diensteanbieter sind nach dieser Regelung für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern nicht verantwortlich, sofern
- sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben und ihnen im Falle von Schadensersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird, oder
- sie unverzüglich tätig geworden sind, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben.
aa) Uneinheitliche Begriffsverwendung
Bei dieser Norm fällt erstmal eine uneinheitliche Begriffsverwendung auf. Derjenige, der eigene Inhalte anbietet, ist nach der Definition des § 3 Nr. 1 TDG (neu) Diensteanbieter. Er ist aber nach der Definition des § 3 Nr. 2 TDG (neu) zugleich Nutzer, da er Informationen zugänglich macht.
Der Betreiber einer Website ist somit im Verhältnis zu seinem Host-Provider Nutzer, im Verhältnis zu den Besuchern seiner Site aber Diensteanbieter.
Wer das für ein Redaktionsversehen hält, wird durch die Begründung des Referentenentwurfs eines Besseren belehrt. Man hat den Anbieter eigener Inhalte offenbar ganz bewusst einmal als Diensteanbieter und das andere mal als Nutzer bezeichnet.
bb) Unterscheidung zwischen rechtswidriger Handlung und Information
Die Norm unterscheidet entgegen der bisherigen Regelung zwischen rechtswidriger Handlung und der Information selbst. Nach der Begründung zum Referentenentwurf sollen hierdurch zwei verschiedene Fälle erfasst werden.
Zunächst der Fall, in dem bereits die Information als solche rechtswidrig ist. Hier soll dann die (positive) Kenntnis der Information ausreichen um die Privilegierung auszuschließen. Eine Kenntnis der Rechtswidrigkeit ist nicht erforderlich.
Gemeint sind damit wohl vor allem die Fälle in denen sich die Strafbarkeit bzw. Rechtswidrigkeit unmittelbar aus dem jeweiligen Inhalt ersehen lässt, also z.B. die Fälle von Kinderpornografie, Volksverhetzung, Beleidigung etc.
Die zweite Fallgruppe meint dann die Fälle, in denen die Information selbst nicht zu beanstanden ist, sondern erst die entfaltete Tätigkeit, insbesondere die Verwendung von Informationen ohne Gestattung des Rechtsinhabers, die Rechtswidrigkeit begründet. In diesen Fällen muss sich die Kenntnis auch auf die Rechtswidrigkeit der Handlung erstrecken, insbesondere auf den Umstand, dass eine Erlaubnis des Rechtsinhabers nicht vorliegt. Diese Fallkonstellation dürfte vor allem für die Bereiche Urheber- und Kennzeichenrecht relevant sein. Der Host-Provider verliert die Privilegierung des § 11 TDG (neu) nicht schon dann, wenn er weiß, dass sein Kunde ein urheberrechtlich geschütztes Werk online verwendet, sondern erst dann, wenn er auch (positiv) weiß, dass die urheberrechtliche Nutzung ohne Gestattung durch den Rechtsinhaber erfolgt.
cc) Schadensersatz bereits bei grober Fahrlässigkeit
Im Hinblick auf Schadensersatzansprüche gegen den Host-Provider verschärft § 11 Nr. 1 TDG (neu) die bislang geltende Regelung. Der Host-Provider gelangt im Falle von Schadensersatzansprüchen nur dann in den Genuss der Privilegierung, wenn ihm keine Tatsachen und Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird.
Dies bedeutet nichts anderes als eine Schadensersatzhaftung auch in den Fällen grober Fahrlässigkeit.
dd) Hoster ohne eigene Server
Der stark technisch orientierte Wortlaut des § 11 TDG (neu) wirft die Frage auf, ob auch Reseller die über keine eigenen Serverkapazitäten verfügen, aber dem Kunden gegenüber dennoch als Hoster auftreten, umfasst sind.
Hieran könnte man aufgrund des Wortlauts "für einen Nutzer speichern" zweifeln, da der Hoster ohne eignen Server selbst nicht speichert.
Eine am Sinn und Zweck der Norm orientierte Auslegung wird aber auch solche Host-Provider einbeziehen müssen. Andernfalls würde eine nicht vertretbare Ungleichbehandlung stattfinden.
Ungeregelte Aspekte (Suchmaschinen, Push-Dienste, Hyperlinks)
Die E-Commerce-Richtlinie stellt in Art. 21 II ausdrücklich klar, dass die Frage der Verantwortlichkeit von Anbietern von Suchmaschinen und Hyperlinks zunächst ungeregelt bleibt und diese Fragen einer weiteren Prüfung durch die Kommission unterzogen werden.
Die problematischen Fälle vom Hyperlinks und Suchmaschinen lasse sich wegen der engen Fassung von § 9 TDG (neu) auch nicht mehr als Zugangsvermittlung einstufen, so dass eine Regelung dann völlig fehlen wird.
Es ist jedenfalls so, dass die Rechtssetzungsbefugnis der Mitgliedstaaten durch die Richtlinie insoweit nicht eingeschränkt worden ist. Der Bundesgesetzgeber hätte also ohne weiteres die Möglichkeit diese Fragen zu regeln.
Man hat sich aber offenbar entschlossen, die fast vierjährige praktische Entwicklung des TDG erst einmal zu ignorieren und zunächst lediglich die Richtlinie nahezu wörtlich abzuschreiben.
Auch der Bundesrat hat im Rahmen seiner Stellungnahme nach § 76 Abs. 2 Grundgesetz eine ausdrückliche Regelung für Hyperlinks verlangt.
Auch dem ist die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung nicht gefolgt. Sie hat darauf hingewiesen, dass die Diskussion in Rechtsprechung und Literatur noch nicht abgeschlossen sei und dass darüber hinaus eine einheitliche europäische Regelung wünschenswert sei.
Abschließend noch der Hinweis, dass die Länder parallel an einem Änderungsstaatsvertrag arbeiten, der den Mediendienstestaatsvertrags an die zu ändernde Fassung des TDG angleichen soll.